In der österreichischen Politik herrscht im Moment der Ausnahmezustand. Der letztlich doch überraschende Abgang von Reinhold Mitterlehner und die Kür von Sebastian Kurz inklusive der Ausrufung von Neuwahlen haben vor allem beim Koalitionspartner SPÖ die Nerven blank gelegt.
Nur so ist es zu erklären, dass zuerst das Wehklagen anhob: Es sei alles andere als staatsmännisch, die laufende Periode zu verkürzen. Schließlich sei es notwendig, Verantwortung für Österreich zu übernehmen und vom aktuellen Regierungsprogramm so viel wie möglich umzusetzen.
Gestern offenbarte sich aber dann des Pudels Kern: Der Beschluss der über ein Jahr verhandelten Gewerbeordnung, noch in der Vorwoche von SP und VP im Ausschuss abgesegnet, wurde verschoben. Soviel zum Thema Verantwortung und Umsetzen.
Dass für ihn taktische Gründe eine Rolle spielen, hat der Bundeskanzler ja gestern in der ZIB2 offen zugegeben. Nachdem er erst kürzlich wissen ließ, dass 95 Prozent der Politik Inszenierung sei. Dass er aber im Stil der beleidigten Leberwurst gleich die österreichische Wirtschaft in Geiselhaft nimmt, weil ihm Sebastian Kurz den Koalitionsstuhl vor die Tür gestellt hat, ist schon ein starkes Stück.
Die beste Antwort darauf kam aber ohnehin aus des Kanzlers eigenen Reihen. Nationalrat Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau und Holz, erklärte den Oberösterreichischen Nachrichten gegenüber: „Wir haben an sich ein fertiges Paket, das mehr Liberalismus, aber auch mehr Schutz für das Handwerk bringt und die Scheinselbstständigkeit einschränkt. Wer sagt, die Gewerbeordnung sei gescheitert, redet daher Blödsinn.“
Da bleibt nur zu hoffen, dass die aufkeimende Konjunktur jetzt nicht am Spielbrett der Eitelkeiten geopfert wird. Als Wirtschaftsbund werden wir uns weiterhin für eine Gewerbeordnung einsetzen, die Qualität und die Möglichkeit der Ausbildung der nächsten Generation ermöglicht – und nicht dem Pfusch Vorschub leistet, meint Ihr
Markus Malle
